Bernd Begemann & Die Befreiung – Wilde Brombeeren

Bernd Begemann & Die Befreiung - Wilde Brombeeren

Veröffentlicht: 2011

  1. Gib mir eine zwölfte Chance 2:42
  2. Weil wir weg sind 2:56
  3. Wilde Brom­bee­ren 3:32
  4. Teil der leben­di­gen Stadt­teil­kul­tur 3:18
  5. Die Slums von Eppen­dorf 3:06
  6. Ich erkläre diese Krise für been­det 2:15
  7. Dein Trot­tel­freund meint 3:00
  8. Wahr­schein­lich bin ich ver­lo­ren 2:46
  9. Beschä­digt 2:27
  10. Du wirst mein Süden sein 3:08
  11. Nach dem Wie­der­auf­bau (blieb das Land zer­stört) 4:00
  12. Die Tanz­flä­che braucht Dich 2:26

Unver­ständ­nis und diese unend­li­che Einsamkeit

Sollte man nicht bes­ser das Feld räu­men und es den Bar­ba­ren über­las­sen? Auf zu son­ni­gen Gefil­den, in nette zivi­li­sierte Län­der? Weit weg von Mario Barth, Hau­de­gen, Sil­ber­mond, Till Schwei­ger und, vor allem, ganz weit weg von ihren Mil­lio­nen Fans? Das wäre die eine Mög­lich­keit. Die andere Mög­lich­keit, und Bernd Bege­mann hat sich für eben diese ent­schie­den: Es sport­lich neh­men. Die Umwelt und die Mit­men­schen mit den stau­nen­den Augen eines Wis­sen­schaft­lers (wenn auch eines mit­füh­len­den Wis­sen­schaft­lers) betrach­ten. Wie ist es? Wie scheint es? Wie konnte es soweit kom­men? Und genau diese drei Fra­gen stel­len Bernd Bege­mann & Die Befrei­ung auf ihrem neuen Album.

Dass es über­haupt nötig ist, Bernd Bege­manns CDs zu bewer­ben, dass man Info­texte ver­fas­sen muss, ist schon ein Skan­dal. Ich greife mal eines der bereits oben erwähn­ten zivi­li­sier­ten Län­der wahl­los her­aus (Eng­land). Ein Pla­kat auf’m Markt­platz und die Leute wür­den einem den Vir­gin Mega­s­tore ein­ren­nen, wenn einer wie Bege­mann ein neues Album annonciert.

Aber was soll’s. Wir leben halt in einem Land, in dem der Ober­lip­pen­bart naht­los vom Unter­lip­pen­bart abge­löst wurde, in einem Land, des­sen Bewoh­ner Iro­nie nicht ver­ste­hen und in dem gute Klei­dung als ver­däch­tig gilt. Man könnte mei­nen, Bernd Bege­mann sei neu­zeit­li­cher Sisy­phos. Uner­müd­lich tourt, schreibt und kom­po­niert er. Doch weder 10.000e, jähr­lich auf Tour abge­ris­sene Auto­bahn­ki­lo­me­ter kön­nen Bernd Bege­mann etwas anha­ben noch die „Toten Augen von Ham­burg“ (so ein älte­rer Song­ti­tel). Die große Masse igno­riert seine Songs? Ihr Pro­blem, nicht unse­res und auf kei­nen Fall Bernds. Und so reicht Bernd Bege­mann auch noch dem Gerings­ten jeder­zeit die Hand und freut sich über jede vor Her­bert, Xavier und Marius geret­tete Seele. Die Kon­zerte von Bernd Bege­mann und der Befrei­ung sind drei­stün­dige Mes­sen, gewid­met den Göt­tern Pop, Soul und Beat. Amen!

In medias res: Bernd Bege­mann & Die Befrei­ung ver­öf­fent­li­chen ein neues Album und es ist in jeder Hin­sicht groß­ar­tig gewor­den. Es heißt „Wilde Brombeeren“.

Als Popfan wünscht man sich ja immer ein aus lau­ter Sin­gles beste­hen­des Album. Bitte, da isses! Das Titel­stück eine gekonnte und gewagte Mischung aus Pre­fab Sprout und Ger­man Gothic, “Teil der leben­di­gen Stadt­teil­kul­tur“ eine von unend­li­cher Trau­rig­keit geprägte Bal­lade über den Titel geben­den Schwach­sinn, „Die Tanz­flä­che braucht Dich“, „Gib mir eine 12. Chance“ „In den Slums von Eppen­dorf“ und „Ich erkläre diese Krise für been­det“ klin­gen nach Squeeze, nach den Buzzcocks, nach Nort­hern Soul, nach Sly Stone, ja sogar nach Hea­ven 17, und doch ein­deu­tig und unnach­ahm­lich nach Bernd Bege­mann & Die Befrei­ung. „Wilde Brom­bee­ren“ ist das auf einer CD ver­dich­tete Ebay-​Paket, wel­ches voll­ge­füllt ist mit sel­te­nen, genia­len und lang gesuch­ten Singles.

Es ist, als hät­ten Bernd Bege­mann & Die Befrei­ung den hei­li­gen Gral der Pop­mu­sik gefun­den. „Wilde Brom­bee­ren“ ist das per­fekte Gegen­mit­tel gegen den domi­nie­ren­den, oben skiz­zier­ten Schwach­sinn. Das Album ist unter­halt­sam, es ist groovy und, jawohl, lehr­reich. Es gemahnt an die gro­ßen Klas­si­ker und ist, man gestatte den Ver­gleich, „The Queen Is Dead“ für das unheim­li­che Deutsch­land des Jah­res 2011.

„Wilde Brom­bee­ren“ ist Pop­mu­sik aus und in dem Her­zen der Bestie.

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