Eine kurze Liste mit For­de­run­gen

Bernd Bege­mann, Mit-​Erfinder der Ham­bur­ger Schule, stil­be­wuss­tes­ter Musik-​Connaisseur der Han­se­stadt, unter­schätz­ter Gitar­rist und uner­reich­ter Bühnen-​Entertainer, ist zurückgekehrt.

Um das ein­zu­for­dern, was ihm recht­mä­ßig zusteht.

Nicht, dass er wirk­lich fort gewe­sen wäre, doch seit sei­nem letz­ten Lebens­zei­chen in Ton­trä­ger­form „Wilde Brom­bee­ren“ sind immer­hin vier Jahre durch die Lande gewü­tet. Eine lange Zeit, die Bege­mann nun rück­wir­kend pro­gram­ma­tisch mit sei­nem umfang­reichs­ten Album ausfüllt.

Eine kurze Liste mit For­de­run­gen“ zele­briert Pop als Ereig­nis: Große Songs, mit einem gro­ßen Ensem­ble im gro­ßen Saal des geschichts­träch­ti­gen Bre­mer Stu­dio Nord direkt auf klas­si­sches Tonband.

Ohne Metro­nom, weil es nur im Weg gestan­den hätte.

Ohne Auto­tune, weil es nicht nötig war.

Fast alle Gesangs­per­for­man­ces wur­den live zusam­men mit den Instru­men­ten auf­ge­nom­men. Selbst­be­wusst erstreckt sich das Album über alle Facet­ten des Künst­lers und Gegenwarts-​Beobachters Bernd Bege­mann. Eigen­sin­ni­ger Humor („Nazi Tat­too Papa“, „Mein Power­tier ist ein Gnu“), moderne Roman­tik als bril­lant skiz­zierte Zwi­schen­mensch­lich­keit („Lieb­ling, wir haben grö­ßere Pro­bleme als uns“), bitter-​kämpferische State­ments („Die Rei­chen haben gewon­nen“, „Mehr als Erfolg…“) — die „kurze Liste“ ist mit 28 Songs zu abwechs­lungs­reich, um ihr hier und jetzt gerecht wer­den zu kön­nen. Und sie voll­bringt ein klei­nes Kunst­stück, zer­schlägt sie doch bei­läu­fig den Arche­ty­pus des „selbst­mit­lei­di­gen Song­wri­ters“, zuguns­ten wirk­li­cher Einblicke.

Musi­ka­lisch liegt alles in der schun­keln­den Waag­schale, was „der elek­tri­sche Lie­der­ma­cher“ Bege­mann sich schon seit jeher schul­ter­zu­ckend traut: der hol­pernde Hip-​Hop Beat, der schwit­zende Rock’n’Roll, die sam­tene Lie­bes­er­klä­rung, der lupen­reine Pop­song, der Flirt mit dem Schlager.

Nie­mand sonst käme mit die­sem Balan­ce­akt durch, ohne auf der Seite, wo es pein­lich wird, vom Schwe­be­bal­ken zu kippen.

Doch Bernd Bege­mann begreift die Poe­sie sei­ner Songs als Essenz; er nutzt sein reflek­tier­tes Ver­ständ­nis für die­sen einen Satz, der Dich erstar­ren lässt: Die eine Wahr­heit, die Dich nachts wach hält. So fängt er Dinge aus der Luft, mit denen das täg­li­che Leben in einen grö­ße­ren Kon­text gestellt wird.

Die prä­zise Viel­stim­mig­keit und die orga­ni­sche Ein­heit aus Per­for­mance und Klang­bild kom­men nicht von unge­fähr: Gäste wie Regy Cla­sen, Dorit Jakobs, Milo Milone (Rhonda) und Johanna Zeul tra­gen die rie­si­gen Chöre und lei­hen zudem den weib­li­chen Prot­ago­nis­ten bestimm­ter Songs in direk­ter Rede ihre Stimme. Coolness-​Garanten wie Stop­pok an der skur­ri­len Wald­zi­ther oder der Mund­har­mo­nika und dem vir­tuo­sen Per­cus­sio­nis­ten Sven Kaci­rek ste­hen auf­re­gende neue Musi­ker wie Paul Pötsch

(Trüm­mer) zur Seite, der für das ein­dring­li­che „Geister-​Echo“ in „Mein eige­nes Leben ent­führte mich“ sorgte.

Bernd Bege­mann und seine Band „Die Befrei­ung“ (Kai Doren­kamp, Achim Erz, Ben Scha­dow) bün­deln in Voll­en­dung alle kom­po­si­to­ri­schen Kräfte zur bes­ten Song­samm­lung ihrer Kar­riere: Die „kurze Liste mit For­de­run­gen“ brennt wie ein Feuer ewi­ger Jugend auf der tro­cke­nen Fackel alter Weisheit.

Berühmt sein ist nicht cool. Der Beste zu sein ist cool.“, sagte Bernd einmal.

Beweis­füh­rung beendet.

Album-​VÖ: 18.12.2015 (popup-​records, Cargo, Believe)

Text: Sönke Tongers

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